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Ferien in Zeiten der Krise

08.07.2009

Eine Sommersatire von Frank Herkommer - Die ungekürzte Fassung!

Motorenstottern bei Opel, Karstadt in der Kreditklemme. Der Satz „Erst mal sehn, was Quelle hat“ bekommt plötzlich einen beklemmenden, ärztlichen Bulletin- Geschmack. Maschinenschwund bei Pfaff, drohender Colakollaps, die Zeichen stehen auf Flaute in unserer Region. Nach „Wir sind Papst“ nun „Wir sind Krise!“ Und die Banken sind auch nicht mehr so freigiebig wie sie einmal waren. „Urlaubskredit? Nein Danke!“, die neue Aufschrift auf dem Button mit der feixenden Sonne, am Revers des Typen hinter dem Kassenschalter. Das ist der einzige Spaß, den der noch versteht. Und dann ist da ja noch die Sache mit der Abwrackpremie. Als die Vernunft nur noch Schrottwert besaß. Dumm gelaufen, den Gebrauchtwagen mit dem geschätzten Wert von 5000 Euro verschrotten zu lassen für läppische 2 500 Staatsknete, die der auch noch über die Mehrwertsteuer kompensiert. Die Gier lässt grüßen und die monatliche Rate für den Neuwagen, den nicht wirklich jemand gebraucht hätte, ebenso. 60 lange Monate. Das sind fünf gefühlte Sommerurlaube. Und nun auch noch Ferien. Sechs Wochen die süßen Kleinen daheim, mit den Ansprüchen vom letzten Jahr auf Mallorca, bei der Kassenlage von heute. Vier Wochen mit der Freundin allein zu Hause, da fällt dir nur noch die Prostata- Werbung ein: Endlich nachts nicht mehr müssen müssen..... Wie gut, dass es WILLI gibt! Hier unsere drei ultimativen Tipps für Ferien in Zeiten der Krise!

1. Verbringen Sie Ihren Urlaub bei freier Logis und Kost und kassieren Sie auch noch kräftig ab dafür.

http://11k2.files.wordpress.com/2009/08/090823fahrradunfall1.jpgWie man das macht? Nun, zunächst einmal sollten Sie mit den letzten Mäusen eine relativ hohe Krankenhaustagegeldversicherung abschließen. Dann fehlt nur noch der Einweisungsgrund. Stellen Sie sich doch einfach eine Stunde in die Lautrer Fußgängerzone und machen Sie hin und wieder einen Ausfallschritt nach rechts oder links, natürlich ohne sich vorher umzusehen. Walkman ins Ohr, damit kein verdächtiges Sausen Sie vorwarnt. Die Chance, von einem Radfahrer angefahren zu werden, der mindestens 30 Sachen drauf hat, ist größer als die für einen Vierer im Lotto. Die Gefahr, dass Ihnen das Ordnungsamt oder eine Polizeistreife einen Strich durch die Tagegeldrechnung macht, geht dafür gegen Null. Parkende Auto sind ja auch viel gefährlicher als rasende Radler! Nehmen Sie die Kinder mit, die in nicht allzu großer Entfernung die sich abstrampelnden Radfahrer zählen sollen. Vorher wettet jeder auf eine Zahl pro Stunde. Wer am nächsten lag, hat gewonnen. Seien Sie fair und geben Sie den Tipp, dass es mehr als 50 auf jeden Fall sind! Sonnenbrillen sollten für Ihren Nachwuchs Pflicht sein, damit das freudige Glänzen nicht verrät, dass in der nächsten Sekunde ein Raser den Papa mindestens ins Klinikum, wenn nicht in die Frührente schickt. Sollte es wider Erwarten mit dem Knochenbruch oder dem Schädel-Hirn-Trauma nicht hinhauen, laufen Sie einfach Freitag oder Samstag spät Nachts alleine durch die FGZ, warten Sie, bis Sie auf eine Horde betrunkener Halbwüchsiger treffen und fragen Sie, ob es auch ein wenig leiser geht und ob sie überhaupt schon alt genug sind für Alkohol. Spätestens jetzt können Sie darauf hoffen, endlich im Krankenhaus zu landen. Und da wir hier nicht in Bayern sind, dürfen die Eltern der kleinen Schläger und Treter sich auf einen schönen Nebeneffekt einstellen: Zur Resozialisierung kostenloser Urlaub in der Karibik! Unverhofft kommt oft. In Wahlzeiten empfiehlt es sich, mit einem Davidsstern am Hals zu einem Neonazikonzert zu gehen. Es wird nicht das Einzige bleiben, was Sie an diesem Abend am Hals haben. Mit Glück erleben Sie das Krankenhaus noch. Nicht ohne Aussicht auf Erfolg der Besuch eines Sexkinos unter lautem Absingen von Heilsarmeeliedern und Verteilen von Traktaten „Jesus liebt dich!“. Das turnt richtig ab! Im Krankenhaus verzögern Sie Ihre Genesung, indem Sie sich täglich von Ihrer Frau unsere Konkurrenzblätter vorlesen lassen.

2. Das Buddha- Glück.

Frei sein von allen Begierden- das Glück in Reinkultur. Geben nicht immer mehr gerade junge Menschen an, wenn sie die Wahl hätten, würden sie sich für den Buddhismus entscheiden? Nehmen Sie Ihre Kinder ernst und lassen Sie sie diesen Sommer Erfahrungen mit dieser wunderbaren, von allen Konsumwünschen freien Religion machen. Stellen Sie sich mit dem achtjährigen Sohn und der neunjährigen Tochter in die Nähe einer der vielen wunderbaren Eisdielen in Stadt und Landkreis. Beobachten Sie die lachenden und strahlenden Kinder, deren Eltern in die Konsumfalle christlich-westlicher Dekadenz tappen und ein Eis bestellen. Die Grafik Was wird dieses Kind an Sorten auswählen? Jeder darf einen Tipp abgeben. Sie führen Strichliste über die Treffer. Nein, das köstliche Yoghurt- Aprikose-Eis war nicht dabei, aber mit Sahne-Kirsch hast du einen Treffer. So schön kann konsumfreier Sommer sein! Stellen Sie sich vor den Zaun vom Warmfreibad und tippen Sie mit Ihren süßen Kleinen, wie viele Kinder in der nächsten Stunde vom 3-Meter- Brett springen werden. Ihre baden bald im Glücksgefühl des Nichts. Buddha lebt! Lassen Sie alle Telefonnummern der Pizza- Haus-Lieferanten auswendig lernen. Was für ein herrliches Spiel, abends beim Fernschauen die Nummer abzurufen statt anzurufen. Freiheit total! Näher am Nirwana waren Sie selten. Beliebt ist auch das Zeckenspiel. Kurze Hosen an, Strümpfe aus und heissa durch die Waldwiese. Zuhause wird gezählt: Der mit den meisten Zecken hat gewonnen. Die buddhistische Pointe: Nicht ziehen! Meditieren, eins werden mit dem Tao, das sich im kleinsten Tier noch zeigt. Du bist eine Zecke! Meditation in Vollendung. Vielleicht klappt es ja so doch noch mit dem Krankenhaus. Erweitern Sie die Tagesgeldpolice vorsorglich auf die Kinder!

3. Zeit für die Erbtante.

http://www.elchbulle.de/Fotogallery/Fotos/Cooole%20Surfer/Surf-Oma.JPGSie stehen im Testament. Doch Papier ist geduldig. Ihre Frau und Ihre Kinder weniger. Wie oft hat sich die Tante beschwert, dass Sie im Sommer nie da sind. Das kann sich nun ändern. Unternehmen Sie Wanderungen durch den Pfälzer Wald. Das Benzin muss natürlich sie bezahlen. Rechnen Sie ihr vor, wie viel das in Mark pro Liter kostet. Das Asthma- Spray sollte in diesem Augenblick nicht unbedingt in Reichweite sein. Achten Sie darauf, dass die Tante bei den Ausflügen stets außen geht. Wege mit starken Wurzeln und heraus stehenden Steinen sind besonders zu empfehlen. Der Klimawandel könnte sich als Vorteil erweisen: Starkregen und Hagel haben schon so manchen auf freier Flur überrascht. Gehen Sie mit Ihr ins Freibad und ermutigen Sie sie: „Natürlich, Tante, du packst das vom Zehnerturm. Dein Pass verrät doch nur das Geburtsdatum (1913), du bist doch noch soooo jung!“ Laden Sie sie in eine sechsstündige Wagneroper am Nationaltheater Mannheim ein (die Klimanlage funktioniert dort nicht immer zureichend) und stellen das Hörgerät auf volle Lautstärke. Zeigen Sie der überzeugten Sozialdemokratin ohne Vorwarnung die letzten Umfragewerte ihrer Partei. Nehmen Sie sich Zeit und malen die Verschuldung auf, die auf dem Bund, dem Land, der Kommune und auf Ihnen persönlich lastet. Verwenden Sie das anschauliche Bild von den bis zum Mond aufgestapelten Geldscheinen. Das könnte der Lebensfreude der Tante den entscheidenden Dämpfer verpassen. Hängen Sie jeweils ein Bild von Osama und eines von Ahmadinedschad an die Wohnzimmerwand. Lassen Sie Ihre Frau aller Hitze trotzend in einer Burka auftreten und der Tante die Konversion der ganzen Familie zum radikalen Flügel des Islam eröffnen. Fahren Sie mit ihr in den Ruheforst und fragen sie scheinheilig nach dem Baum, der ihr zusagen würde. Bekochen Sie die Tante zwei Wochen lang mit Waren aus dem Korb Hartz IV. Sollte selbst das wider Erwarten nicht zum gewünschten Effekt führen, dann hilft nur noch eines: Totaler WILLI- Entzug. Das überlebt sie niemals! Und dann kann vielleicht doch noch etwas werden aus diesem Sommer in Zeiten der Krise.


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