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Theatrum mundi- Theaterwelt und Welt als Inszenierung. Die Saison Zwanzigneun/Zwanzigzehn

04.09.2009

Los geht die neue Saison. Über das Musik-Angebot am Pfalztheater Kaiserslautern schreibt Frank Herkommer. Und weil er schon mal in Brünn war, weiß er auch, wo es liegt. Im Unterschied zur WILLI-Redaktion

Mein starkes Stück: Die Saison am Pfalztheater 2009/2010

Theatrum mundi

Wenn Sie sich etwas Gutes antun wollen, gehen Sie diese Saison ins Pfalztheater! Lassen Sie sich dabei unterhalten, amüsieren, irritieren, auch mal aufregen- aber immer anregen. Von all den wunderbaren Künstlerinnen und Künstlern aus allen Sparten. Besuchen Sie Reitmeier, solange er noch da ist. Die drittletzte Runde ist eingeläutet

Was für ein Programm! Alleine die Premieren! Warum liest kein Mensch mehr als zwei WILLI-Seiten zum selben Thema? So beschränke ich mich auf das Musiktheater. Die Photos aus den anderen Sparten sollen Sie neugierig machen auf Mehr.

Meine fünf Musikhighlights:

Die Grafik Am 19.September steigt die große Saisonpremiere. Längst ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem man dabei sein sollte. Der göttliche Mozart. Don Giovanni. Den Literaturfreunden besser bekannt unter Don Juan. Die Oper mit der Registerarie, wenn Diener Leporello von den unzähligen, potenzneiderweckenden Liebschaften seines Meisters erzählt, die Damen schön nach Nationen aufgegliedert. Tobias Scharfenberger in der Titelrolle wird in so mancher Besucherin den Wunsch wecken, eine der Registrierten gewesen zu sein. Ein Muss, schon weil Uwe Sandner am Pult steht. Und der inszenierende Schauspieldirektor das Fach wechselt. Viel Glück, Thomas Krauß!

Die Grafik Tiefland. Das vorzeitige Weihnachtsgeschenk (Premiere am 12. Dezember). Von Eugen d' Albert. Eine Liebesgeschichte mit psychologischem Tiefgang. Geierwally auf pyrenäisch. Eine Koproduktion, der Synergieweg der Zukunft schlechthin, mit Brünn. Aber im Trendsetten ist Reitmeier schon lange Spitze. Alle bringen diese Saison Hair. Von New York bis Mannheim. Eine Saison später als am Pfalztheater, weil Spürhund Johannes den richtigen Riecher hatte. Für alle, die die Wende verpennt haben, Brünn liegt in Tschechien. Schon der Name des Regisseurs lässt jedem Lautrer Opernfreund das Wasser im Munde zusammenlaufen: Heinz Lukas -Kindermann. Wie hatte ich in opernnetz.de über seine hiesige Mefistofeles- Inszenierung geschrieben: „Großes Singtheater ohne falsche Theatralik. Fink singt sich an diesem Abend endgültig in die Seelen ihres Publikum.“ Und wenn Dirigent Andreas Hotz in der Matinee schwärmt, hörst du die Stecknadeln fallen, so andächtig hängen alle an seinen Lippen.

Die Grafik Andy Kuntz- jaaa! Christ0 (sprich: kreist siro). Premiere in 2010, am 23. Januar. Die neue Version, für das Pfalztheater. Die Musik von den glorreichen Drei von Vandenplas, Werno, Lill und Kuntz. Nach dem Triumph am Gärtnerplatz in München. Wo Dr. Uli Peters als Intendant Zeichen setzt. Kein Wunder, nach den Lehrjahren am Pfalztheater. Diese Dumas- Variante wird innerhalb von Tagen ausverkauft sein. Alle Vorstellungen. Warum? Opernnetz.de hat wieder die Antwort: „Mit dieser Produktion spielt deutscher Prog Metal in der Weltliga.“ Wie gut, dass in der Pfalz die Propheten im eigenen Land etwas gelten. Mach uns den Kuntz, Andy!

Die Grafik Und als viertes: Schon im Oktober (24.10) High Society. Musical Von Cole Porter und Johannes Reitmeier. Weil er das Stück entstaubt. Wie alle bestätigen können, die die Wallfahrt nach Regensburg angetreten haben, wo der Intendant bereits vergangene Saison die Regie führte und die Theaterkassen füllte. Wie habe ich damals im Mai 08 für opernnetz.de geschrieben: „Man nehme ein Bouquet unsterblicher Songs, eine immergrüne Geschichte, der keine Wiederholung etwas anhaben kann, wahre Liebe zum Detail, mische das ganze mit herzerfrischendem Humor auf, lege das Werk in die Hände eines Regisseurs, der ein Gespür hat für optimale Rollenbesetzung und die seltene Gabe, aus Künstlern mehr heraus zu holen, als sie sich vielleicht selbst zutrauen - und schon träumt ganz Regensburg von der Liebe.“ Träumen Sie mit!

Die Grafik Kein Albtraum werden soll die Inszenierung des Fliegenden Holländers. 27. Februar 2010. Wagner. Titan unter den deutschen Komponisten. An dem sich die Geister scheiden. Man muss ihn lieben oder wird ihn hassen. Stefan Tilch führt die Regie. Da ist nicht die Wiederholung des Skandals zu erwarten, den die Leipziger Inszenierung provozierte. Als ich nachher Mezzosopranistin Susan Maclean kaum trösten konnte, die allen vom Pfalztheater her noch in bester Erinnerung ist, etwa als Carmen. Mein Leipziger Verriss auf opernnetz.de: „Alle Klischees werden bedient, vom Bö(r)senfernsehen über die Dollarnote, dieser große Satan, bis zur Fußballkultur als Eiapopeia fürs Volk, den großen Lulatsch. Ein bisschen nackt muss auch sein, von Bieito die Dusche, Milchglas erspart uns die letzte Peinlichkeit. Ein Nuttchen mischt sich unters Publikum, alte Männer in Unterhosen auf dem Catwalk, der sich Bühnenrand nennt. .. Botschaften werden über die oft überflüssigen Videoeinspielungen verdoppelt, dass noch dem Klügsten eigenes Nachdenken erspart wird. Indoktrination statt Denkanstoß.“ Da sei Reitmeiers wachsames Auge vor!

Eine Saison, in der GMD Uwe Sandner erneut musikalische Schätze zum höheren Ruhm des Hauses hebt- die Korngoldoper „Das Wunder der Heliane“, auf die Bühne gezaubert vom Duo kongeniale Reitmeier und Sandner. Oder Telemanns selten gespielte Komische Oper Pimpinone oder Die ungleiche Hochzeit.“ Musikdramaturg Andreas Bronkalla darf ran. Zu unser aller Freude. Und Susanne Bieler liefert den Text für eine Kammeroper- „Gestohlenes Leben.“ Schwere Kost, die den Besucher ehrt.

Eine große Saison- die große Erwartungen weckt. Und hoffentlich auf große Resonanz stößt. Sie sind gemeint!

Ihr Kulturbeutel
Frank Herkommer


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