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19.4.2024 : 20:08 : +0200

Die Saison 2010/2011 im Pfalztheater

16.09.2010

Zwei Premieren, die wegweisen. Heyme inszeniert die Antigone, die Musicalsaison beginnt mit "The king and I". Frank Herkommer macht Lust auf Theater

Ich bin dann mal weg

 

25 Premieren, darunter Stücke, die ich mir zwei Mal anschaue, mindestens, dazu zwei Wiederaufnahmen, die niemand verpassen sollte, nicht zu vergessen die Matinees am Sonntag, Opernball und Ballett- Gala, Konzerte und Theaterfest, so viel zum Thema, was ich mit meiner Freizeit in den nächsten zehn Monaten anfangen werde. Katze, geh schon mal ohne mich ins Bett! FreundInnen, stellt Euch ein Photo von mir auf! Nichten und Großneffen, nutzt die Einzugsermächtigung für mein Konto und kauft euch eure Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke selbst- ich bin dann mal weg!

Die Lautrer Quadriga, der vierblättrige Glücksklee des Pfalztheaters (Sorry, GMD Uwe Sandner, Sie gehören natürlich dazu, sprengen aber leider meine beiden Metaphern): Produktivitätswunder und Intendant Johannes Reitmeier, Urs Häberli, der souveräne Herr der Noten, Thomas Kraus, der versierte Mann des gesprochenen Wortes, und Stefano Giannetti, Ballettdirektor, der mit Anmut und Grazie die Herzen berührt, die vier haben ein Programm zusammen gestellt, das beides bedient: Das unveräußerliche Recht eines Theaterbesuchers auf alltagserhellende Unterhaltung, leicht, deswegen keineswegs seicht. Und den Auftrag zur Provokation, Denkstöße zu geben, etwas zu wagen. Anregung und Aufregung, das, was Theater so spannend machen kann. Nicht jede Aufführung muss vergnügungssteuerpflichtig sein. Auch geistige und seelische Anstrengung holt aus dem Alltagstrott. Wo müde gewordene Kirchen ausfallen, springt das Theater ein. Kultur der Werte. Und Transzendieren ohne Transzendenz, wie mein guter Ernst Bloch zu sagen pflegte.

Ein Zeichen setzt bereits die Ansetzung der ersten Premiere. Werkstattbühne, nicht Großes Haus. Hansgünther Heyme, Intendant am Pfalzbau Ludwigshafen, inszeniert die „Antigone“ von Sophokles. Die, die sich dem Verbot widersetzt, den Leichnam ihres gefallenen Bruders beizusetzen.Ein Stück von bedrängender Aktualität auf dem Hintergrund sich auflösender Bestattungskultur, Verweigerung von tragenden Riten, zunehmender postmortaler Entsorgungsmentalität. Ab ins Krematorium und dort wortlos verscharren...Heyme, der gebildete Humanist, gilt als ausgewiesener Könner, Mythen zur Darstellung zu bringen, ohne sie flach in die Gegenwart zu übertragen und damit aufzulösen. Dabei immer erfolgreich bemüht, die Schönheit der Sprache aufleuchten zu lassen. Ich bin dabei!

Fröhlicher Wechsel- eine Woche später das Classical „The King and I“ (Der König und ich). Meine Altersgenossinnen und – genossen erinnern sich noch gerne an die Inszenierung vor zwei Jahrzehnten im Alten Haus. Wieder eine Koproduktion wie die erste Premiere, hier mit dem Tiroler Landestheater Innsbruck. Nicht erst in Zeiten knapper Kassen macht dieses Modell Sinn: Viel zu schade, um nur auf einer Bühne aufgeführt zu werden. Bündelung der besten Kräfte. Ein Musical, das wieder zum Kassenschlager werden wird. So geht man mit dem Thema „Das Fremde“ um. Geradezu seherisch! Theo Sarrazin sollte der Besuch zur Bewährungsauflage gemacht werden. Volk ohne Raum, hatten wir doch schon mal. Mutterkreuz auch. Fürs Musical ganz schnell Karten reservieren! Sonst sitzt der Bundes- Gen- Banker auf Ihrem Platz.

Zehn weitere Stücke im Musiktheater. Darunter „La Bohème „(die Version Puccinis), Achtung! Sensation! Bregenz kooperiert mit Kaiserslautern und bringt Weinbergs „Das Portrait“ , eine satirische Oper nach Gogol, Uwe Sandner am Pult in Lautern und am Bodensee, die Achse des Guten, das gibt internationale Aufmerksamkeit für unser Theater. A propos Stolz. Unsere Carmen Susan Maclean feierte in diesem Jahr Triumphe in Bayreuth als Kundry. Der Vertrag für die nächsten Festspiele ist schon unterschrieben. Weitere Renner: „Ein Maskenball“, „Eine Nacht in Venedig“, die Wiederaufnahme des „Falstaff“.

Auch das Schauspiel setzt auf eine Mischung von Klassikern und Avantgarde. Dürrenmatts „Besuch der Alten Dame“, Ödön von Horvaths „Kasimir und Karoline“, Theresia Walsers „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“, Shakespeares „Hamlet“ , vier Stücke, die die ganze Bandbreite andeuten. Wer die vergangene Saison die beeindruckenden Schauspielleistungen beobachtet hat, wird froh sein, wie wenig Bewegung im Ensemble statt gefunden hat. Nur ein Neueinkauf , Markus Penne. Herzlich willkommen!

Mit zwei Neuproduktionen beglücken uns Stefano Giannetti und seine Körperbotschafter in der neuen Saison. „Alice im Wunderland“ im Großen Haus, für alle, die sich die Kunst des Staunens bewahrt haben, die sich gerne verzaubern und in den Bann schlagen lassen. Auf der Werkstattbühne wird „Rossini!“ geehrt und ein Italienbild der besonderen Art gezeichnet. Charme und Esprit, die Markenzeichen des Ballettdirektors. Wiederaufnahme: Die sehenswerte Inszenierung von Tschaikowskis „Schwanensee“.

Holen Sie sich das ganze Programm! Liegen im Vorraum der Kasse. Gehen Sie auf die Homepage des Pfalztheaters! Willi wird Sie wieder jeden Monat mit einer Rezession verwöhnen. Ich freu mich drauf -

Ihr Kulturbeutel Frank Herkommer


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