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Kühlen Kopf bewahren

19.08.2010

Wie jedes Jahr veröffentlich Frank Herkommer seine Sommersatire im Willi-Magazin - bitterböse!

Kühlen Kopf bewahren


Ihnen steigt die Hitze in den Kopf? Wochenlang 30 Grad plus X? Willi hat die ultimativen Tipps, wie Sie einen Hitzeschlag vermeiden können. Umweltverträglich, Geldbeutel schonend. Vergessen Sie herunter gelassene Rollläden, tagsüber geschlossene Fenster, Strom schluckende Ventilatoren- unsere beiden Tipps sind so einmalig wie unser Magazin.

Tipp eins: Die mentale Abkühlung


Ein bisschen Phantasie ist alles, was Sie dazu brauchen. Schon erfasst sie eine kalte Wut und alle Schwitzerei ist wie weg geblasen.

Wir helfen Ihnen gerne auf die Gedankensprünge.  Erinnern Sie sich an Ihren letzten Steuerbescheid!  Na, schon kühler? Wie war das mit der Heizkostenabrechnung? Es kann eigentlich gar nicht heiß genug sein, finden Sie nicht auch?  Oder  vergleichen Sie den Bauch Ihres Mannes auf dem Hochzeitsphoto mit dem von heute. Das Waschbrett, das zur Trommel wurde. Denken Sie darüber nach, welcher Trottel damals behauptete, Ihre Schwiegermutter sei eine zurückhaltende Person und in der Familie Ihrer Frau sei noch niemand richtig alt geworden. Erinnern Sie sich noch, als Sie die Viagra mit der Abführtablette verwechselten? War das peinlich! Gehen Sie in den Keller, rufen  Sie  sich den letzten Winter aus Ihrem Gedächtnis ab, und schauen Sie dann eine Minute lang einfach nur die Schneeschaufel an. Sie werden die  Hitze lieben. 36°? Ich merk nix.  Wahlversprechen. Hilft immer. „Keine Merkelsteuer“ -  war ja nicht gelogen, man ging ja noch einen Punkt höher rauf mit der Mehrwertsteuer.  Lassen Sie die Worte nachhallen:  „Einfacher, niedriger, gerechter“.  Ich krieg die Windpocken! Oder: „Einen Gesundheitsminister, der die Kopfpauschale nicht durchsetzen kann, braucht niemand“. O-Ton positioneller Zappel-Philipp. Oder noch schlimmer: Er hätte sich durch gesetzt. Seine Putzkraft zahlt den selben Beitrag wie der Oberbürgermeister. Überhaupt, Politik, ein weites Feld.  Rente mit 67. Auf der Bahre zum Bau. Der Stock des Lehrers kehrt zurück, allerdings als Stütze. Warum nicht gleich Rente mit 80?  Erstüberweisung ans Friedhofsamt. Neue Rekordschulden. Nur über den Staatsbankrott je wieder loszuwerden. Rettungsschirm. Die  Banken und Griechenland gerettet, der Steuerzahler steht im Regen.  Afghanistan – ein Krieg, den keiner braucht. Meine Freiheit, die am Hindukusch verteidigt wird . Und wer verteidigt sie hier?  

Tipp zwei: Aufschwung durch Abkühlung


Kinderarmut auch bei uns.  Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe.  Wenn ich das schon höre!WILLI weiß um Abhilfe.

Nehmen sie sich Ihren ganz persönlichen Hartz IV- Zögling mit ins Schwimmbad. Wie finden? Fragen Sie Ihre schwarz arbeitende Putzhilfe. Gewöhnlich wimmelt es in deren Familien von Hartz Vierlern. Man sieht es auch den Blocks an, wo besonders viele wohnen.Ein teures Auto, mit dem  Sie vorfahren sollten, lockt sie an wie Honig die Fliegen. Kleben Sie auf den Wagen den antikirchlichen Slogan „No church!“, damit Sie nicht in falschen Verdacht geraten.  Zahlen Sie den Eintritt, spendieren Sie Pommes rot - weiß, ein Wassereis und eine Fanta. Mehr nicht. Dafür lassen Sie sich stundenlang frische Luft zufächeln. Ein angedunkeltes Kind macht sich besonders gut, das sieht stilecht aus. Außerdem geraten die nicht so leicht ins Schwitzen. Eine viertel Stunde von sechzig Minuten darf die kleine Hilfskraft zur Abkühlung ins Wasser.  Fürs Eincremen Ihres Warzenbuckels sollten Sie ein Leckerli zusätzlich gewähren. Ein Zweitgetränk steht ganz oben auf der Liste der Begehrlichkeiten. Die unteren Volksschichten sind oft maßlos in ihrem Konsumverhalten.  
Das ganze persönliche Abkühlungsprogramm dient  dem volkswirtschaftlichen Aufschwung. Das ist die wahre soziale Einstellung. Völlen für die Vollbeschäftigung. Genießen für die Armen. Thailand an der Waschmühle. Ohne belastende Kerosin - Schleudern. Und einer Kinderseele machen Sie eine große Freude. Sie stiften damit einen Traum. Vom Ende der Hartz-IV - Tradition in der Familie. Vielleicht Motivation, einmal LeiharbeiterIn zu werden. Oder ErntehelferIn. Oder 1-Euro- JobberIn. Hell aus dem dunklen Vergangenen  leuchtet die Zukunft hervor, die 1-Euro- Münze ihr strahlendes Symbol.
Langzeitarbeitslose, man sollte ihnen die Motivation für einen möglichen  1 - Euro- Job nicht nehmen und bei der Bezahlung entsprechend unter dieser Summe bleiben, eignen sich besonders  für einfache Tätigkeiten.  In die Pedalen eines Heimfahrrads treten, der Dynamo speist den Ventilator - und wir verbrauchen weniger bösen Strom. Strampeln für Röttgen. Nicht, dass noch ein Hoffnungsträger vom Rad fällt und wir nur noch eine Mappus- Show erleben, die christdemokratische Antwort auf Miss Piggy.
Lassen Sie sich im Haus bedienen! Jede gesparte Bewegung Ihrerseits verhindert schwitzen. Und genau das möchte Ihnen WILLI ermöglichen.Trockener Haut durch den Sommer. Hitzeschäden nur an der Ente. Oder bei den anderen.

Eben ruft mich mein Chefredakteur an.Ob ich zu lange in der Sonne gesessen hätte. Nein, am PC, der Artikel mein Beitrag zur Vermeidung von Hitzeschäden. An mir.  So habe ich immer schon geschrieben. Einen heißen Sommer noch, liebe WILLI- Leserin und lieber WILLI- Leser! Wir sehn uns an der Waschmühle. Ich leih Ihnen dann mal meinen Fächler.  Notfalls tut es auch ein WILLI-Heft. Das kostet gar nichts. Schön zusammen rollen. Und dann wedeln!  Meinen Beitrag können Sie ruhig knicken. Bin ich ja gewohnt.

Frank Herkommer

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