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Dornröschen- Giannetti choreografiert Tschaikowski

08.02.2013

Mit Dornröschen schließt Ballettmeister Stefano Giannetti seine Tschaikowski-Trilogie am Pfalztheater ab. Frank Herkommer berichtet als Korrespondent für Opernnetz und beschreibt einen großen Balletteabend, bei dem auch Lady Di zu Gast ist

Leben im Falschen

Längst ist die Liebe zwischen Lady Di und Prinz Charles erkaltet, die Träume vom royalen Leben mit Kinderglück dem Alptraum einer Gefangenschaft an der Seite eines Mannes gewichen, der sich ihrer bedient, ohne sie zu lieben. Das Royal Opera House ruft, man kleidet sich an und verlässt den Palast. Ihre Hoheiten sitzen im Publikum, auf dem Programm steht Dornröschen. Das erkaltete Paar bestaunt die vier Pas de Deux rund um die Phantasiefiguren Kristalle, Katzen, Blauer Vogel, Aurora und Desiré. Choreograph Stefano Gianetti vollendet das Spiel mit den doppelten Ebenen, lässt die Prinzessin der Herzen auf die Bühne steigen, wo Dodi auf sie wartet. Der Eiffelturm bildet den fotografischen Hintergrund, vor dem ein erotischer Pas de Deux voller Hingabe, Zärtlichkeit, Verschmelzen und Lösen, Glück und Erfüllung von einer reifen Beziehung erzählt, vom Ende des Lebens im Falschen. Das Bild im Rahmen wechselt zu dem Crashauto. Dodi, mit dem mythologischen Potenzial der Synthese von Eros und Thanatos, trägt die tödlich Verletzte durch das Tor; dessen Leuchtröhren erinnern an ein Orgelprospekt, von Anfang an der Verweis auf Westminster Abbey. In den ersten beiden Bildern chargieren Märchen und Dianas Geschichte, ohne Verwirrung hervor zu rufen. Weil Giannetti keine plumpe Übertragung vornimmt, sondern den Mythos aufgreift, der in der Geschichte der Prinzessin von Wales zum Ausdruck kommt. Statt Feen Gäste im Hause Spencer, die im ersten Bild zur Geburt der Tochter gratulieren. Die Damen im zeitlosen Chanelkostümchen oder jung, fancy und sexy. Michael D. Zimmermann findet für jede und jeden das passende Kostüm, mit stringenter Farbführung. Dem Märchenhaften Rechnung tragend, jeder Verkitschung abhold. Nichts wirkt überladen, ein Hingucker löst den anderen ab. Wie auch das stimmige Bühnenbild von Thomas Dörfler einen hohen Reflexionsstand aufweist und die doppelten Ebenen bedient. Statt einer übergangenen Fee tanzt sich mit dämonischen Bewegungen, angezogen und abgestoßen zugleich, ein dunkler Bote an den Kinderwagen, der selbe Tänzer im selben Anzug, der später ihr Erlöser sein wird. Der Bilderbogen über der Bühne zeigt die Welt der Royalen, einen kalten Palast von innen, dann Gärten, in denen man sich verlieren kann, der Blick vom Balkon. Im zweiten Bild tritt erstmals die junge Diana auf. Vier Prinzen werben um sie. Warum, zeigt Primaballerina Eleonora Fabrizi. Giannetti setzt auf eine Synthese aus Ausdruckstanz, den sie gemeinsam mit dem neben ihr überragenden Riccardo Marchiori zelebriert. Um dann alle klassischen Schritte, vom Zehenspitzentanz über Pirouetten bis zu schwierigsten Hebefiguren mit Ballettkunst vom Feinsten aufzuwarten. Eine Aura der Verletzlichkeit wie der strahlenden Unbekümmertheit geht von der Fabrizi aus, die jeden in den Bann zieht. Auf technisch höchstem Niveau. Eine große Ausdruckskraft, kombiniert mit hoher Ästhetik, zeichnet auch ihren Partner „Dodi“ Marchioni aus.

Die weiteren Protagonisten, die bis auf die Szene mit den vier Kindern hohe Synchronizität erreichen: Felicity Hader in der Rolle der Lady Spencer, ihr Mann Michal Dousa, der im hinreißenden Pas de Deux Aurora und Desiré mit Gabriela Limatola tanzt, belegt, dass auch die zweite Reihe bestens besetzt ist. In den Rollen der fünf Patentanten treten auf: Letizia Cirri, Eleonore Turri, Gabriela Limatola, Aurore Nicolas und Laure Courau. Prinz Charles, er sieht fast zu gut für diese Rolle aus, verkörpert Chris Kobusch, die drei anderen Prinzen tanzen Salvatore Nicolosi, Michal Dousa und Kei Tanaka. Die vier Märchenszenen: Die Kristalle bilden Letizia Cirri, Laure Courau und Salvatore Nicolosi. Katze und Kater Flavia Samper und Gianluca Sermattei, die blauen Vögel Laura Courau und Kei Tanaka.

Das Orchester des Pfalztheaters führt Rodrigo Tomillo mit engagierter Interpretation und großer Leidenschaft durch den Abend.

Das Publikum, trotz Fußballübertragung eine erstaunliche Besucherzahl, ist hingerissen. Die Vorhänge wollen nicht enden, die Primaballerina wird gefeiert und niemand beschwert sich über die Analogie, die Giannetti gezogen hat. Eine beeindruckende Tschaikowski-Trilogie des Meisters aus Italien findet ihren Abschluss und Höhepunkt.