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Sommersatire: Meine zehn Gebote

09.07.2011

Bürgerbeteiligung, das Verhältnis zwischen Partikulatinteressen und Allgemeinwohl. Um nichts weniger dreht sich Frank Herkommers kleine, bösartige Sommersatire

 

Meine zehn Gebote

 

von Frank Herkommer

 

Bürgerbeteiligung. Das neue Zauberwort. Endlich! Wie lange habe ich darauf gewartet. Schluss mit der Diktatur der Sachentscheidungen! Fegt sie weg, die ewigen Kompromisse! Planungssicherheit? Vertragstreue? Auf so etwas können nur Bürokraten und Beamte kommen. Nieder mit der Politikerklasse! Nieder mit den Eliten! Du bist Kanzlerin! Und Oberbürgermeister. Und Pfarrer. Und Lehrerin. Und Handwerksmeister. Trau keinem über zehn Semester! Erfahrung bedeutet eingefahren. Mein Ich braucht keine Grenzen. Mein Bauch ist klüger als Euer Kopf. Jetzt stelle ich meine zehn Forderungen auf. Was ich Euch gebiete.Die Revolution kommt nach Kaiserslautern

 

Erstes Gebot: Verkehrsfreie Innenstadt. Weg mit den Autos, Bussen und Taxen! Mein Arzt hat mir Bewegung verordnet. Der Geist ist ja willig, aber das Fleisch so schwach. Wenn ich eine Tafel Schokolade aufmache, kenne ich kein Halten mehr. Also habe ich keine zuhause. So soll es auch in der Innenstadt sein. Keine Fahrzeuge, keine Versuchung. Dafür Bewegung. Täte Ihnen auch gut, liebe WILLI-Leserin und Leser.

 

Zweites Gebot. Schließt das Pfalztheater! Ich gehe nie ins Theater. Das alberne Gehopse, das sich Ballett schimpft. Oder Oper, wo Leute völlig grundlos laut heraus schreien, was sie sich auch sagen könnten. Schauspiele. Kann ich ja gleich Arte schauen. Ich bin für Katzenberger statt Katze auf dem heißen Blechdach. Meine Steuern sollt ihr nicht mehr bekommen. Mit dem freien Geld könnte man die Biersteuer senken.

 

Drittes Gebot: Schließt den Friedhof! Da kenne ich eh niemanden, der da liegt. Und ich hab auch nicht vor, mir da ein Grab zu kaufen. Ich geh in den Ruheforst. Oder lass meine Asche auf dem Betzenberg verstreuen.


Viertes Gebot: Schließt alle Damenkonfektionshäuser! Ich bin doch keine Transe, wofür soll ich mir BH, Schlüpfer Rock und Bluse kaufen?

 

Fünftes Gebot: Macht alle Kitas dicht! Danke, Frau Dekanin Keller, dass Sie damit begonnen haben. Wir sind gleich alt, da werden wir ja kaum noch Kinder in die Welt setzen. Und die Enkel sind ja auch bereits aus dem Alter heraus. So viel freies Geld! Damit könnte man Pfarrhäuser renovieren und Kirchen instand halten. So erzielt man Nachhaltigkeit. Über den Tagesstättenrand hinaus schauen. Kinder aus ärmeren Vierteln werden wahrscheinlich sowieso einmal wenig Kirchensteuern zahlen.

 

Sechstes Gebot: Schließt Saks, macht ein Heim für Kleinrentner draus! Ob ich mir jemals Saks leisten kann, bei dem Einkommen bei WILLI, ist sehr fraglich. Eine kleine Rente ist mit gewiss.

 

Siebtes Gebot: Schließt alle Freudenhäuser! Ich gehe auf die 60 zu und habe Zucker.


Achtes Gebot: Legt den Bahnhof tiefer! KL 21. Ich hasse den Lärm einfahrender Züge, die lachenden Fahrkunden,die mich daran erinnern. Ihr dürft weg, ich muss da bleiben. Bereitschaftsdienst für den WILLI.

 

Neuntes Gebot: Schließt die Schulen! Ich kann schon lesen, rechnen und schreiben.

 

Zehntes Gebot: Macht den WILLI zur Pflichtlektüre! Dann geht es aufwärts mit den Anzeigen, damit mit meinem Gehalt, damit mit meinen Steuern. Also, wer behauptet da, Bürgerbeteiligung habe nicht das Gemeinwohl im Blick?

 

Mit guten Urlaubswünschen

 

Ihr Frank Herkommer