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Auf die Katze gekommen - Satire von Frank Herkommer für das Willi-Magazin

03.05.2010

Von den Leiden eines nicht mehr jungen Katzenwärters erzählt die nicht ganz ernst zu nehmende Satire des Pfälzer Schriftstellers - für alle Katzenfreunde ein Muss!

Auf die Katze gekommen


Ja, kommt nur hoch! Aber stellt vorher das fürchterliche Gejaule ab. Tatü, tata, tatü, tata. Ohne Bullen getraut ihr Feiglinge euch ja nicht rauf. Ha, ha, ha, Zwangsjacke. Glaubt nicht, dass ich die von hier oben nicht erkennen kann. Da müsst ihr meine Hände erst mal rein bekommen. Wie gut wenn man in der Schublade für gewisse Stunden ein paar Handschellen liegen hat. Schlüssel ist in meinem Bauch, holt ihn doch, holt ihn doch! He, wie kommt ihr denn in meine Wohnung? Was macht ihr mit der Spritze an meinem Hintern? ASB- ich kündige! Verräter! Amourée, ich komme zurück! Halt aus! Ich bin gleich wieder da! Aua, was beißt du mich in die Wade? Hör auf zu kratzen, ich liebe dich doch so, meine Prinzessin! Geh weg von meiner Ferse! Mein Schätzchen! Aua! Schau, Blut! Mein Engelchen! Wieso machst du einen Buckel? Hör auf zu fauchen! Nimmt mal jemand endlich diese Bestie weg? O Gott, mein süßes Kätzchen!

Ich hätte die Abschlusstür nicht aufstehen lassen sollen. Als sie kamen, um mich hierher zu bringen. Immerhin, im Mai ist es in Klingenmünster besonders schön. Man sagt, drei Grad wärmer als in Kaiserslautern.

Keine Tür durfte geschlossen bleiben. Seit sie hier regierte. Haus der offenen Tür? Vergessen Sie alle Vorstellungen, die Sie mit diesem Begriff verbinden! Katzen sind ja sooo neugierig. Zugegeben, seit mein schwarzes Kuscheltier eingezogen war, zog es kräftig.Die Pharmaindustrie will ja auch etwas an mir verdienen.Lady in black duldet keine geschlossenen Türen. Nicht einmal zum Hausflur. Auch nicht beim Wäscheschrank. Gut, die Motten haben das ebenfalls schnell heraus gefunden, aber, was macht man nicht alles, um mit der Herrin auf guter Pfote zu stehen! Ich hatte eh vor, mich neu einzukleiden. Schubladen schloss ich grundsätzlich nicht mehr, was mir mitunter hämische Blicke meiner Besucher einbrachte. Aber Filme gehören nun mal in die Nähe des Abspielgerätes. Die könnten aber auch diskretere Beschriftungen vornehmen. Eine DVD hab ich gleich entsorgt. Wenn geile Kätzchen schlecken. Geschmacklos, diskriminierend. Wenn das meine Kleine sieht.

Es irritierte mich nur anfangs, als sich Amourée verbat, dass ich den Deckel des Ökomülleimer zuklappte. Von den Hunderten Insekten, die die grünen Reste umschwirrten, jagte sie nur die Kleinen. Wie klug sie doch war, sich mit Größeren nicht anzulegen! Niemand hatte sie gewarnt, dieses Wunder der Evolution. Ich schlief bald unter einem Moskitonetz. Katzi-Mausi war eh noch nicht bereit, mit mir unter eine Bettdecke zu schlupfen. Katzenflüsterer haben ja Geduld.

Alles hatte so nach einer wunderbaren Freundschaft ausgesehen. Das wird mir in dieser Gummizelle von Stunde zu Stunden klarer. „Wir ziehen weg. Wenn wir unserer süßen Amourée doch nur das Tierheim ersparen könnten! Du bist doch ein Katzenflüsterer. Hier, Spielzeug. Katzenklo. Ein Kratzbaum. Futter. Streu,aber nur das weiße, aufs graue geht sie nicht.“ Seit ich meine Farbschwäche drastisch bestraft sah (kann die Kacke aber auch kleben!), reiße ich die Tüten im Supermarkt auf und frage einen der zufällig anwesenden Kunden, ob das auch wirklich weiß ist. Raffinierte Variante der Anmache. Danke, Amourée!

O ja, ich werde dich herbei warten. Das Geheimnis, wie man eine Katzenseele erobert. Drei Wochen später. Das Leckerli in meiner Hand. Höre ich da ein Schnurren? Gestern waren Tina und Nils da. Du bist aus deiner Ecke gekommen und hast dich streicheln lassen. Hoffnung, du Elixier aller Liebenden. Jetzt drückst du deinen süßen Kopf gegen meine Spenderhand. Es ist vollbracht. Ich habe dich geknackt, I'm the cat's conqueror! Was wirfst du dich blitzschnell auf die Seite! Aua, das war deine Kralle! Und weg bist du, Mistvieh, hinterfotziges! Du wirst noch um dieser Hand betteln! Ein wenig irritiert geschaut haben sie schon, drüben im Kaufland, als ich nur noch mit Gärtnerhandschuhen auftauchte. Wissen die, wie weh ein Hieb mit der Minilöwenpranke tun kann?

Eigentlich war es überflüssig, meinen Wohnungsabschluss zu sichern. Okay, ganz angenehm war es mir nicht, unter der Dusche, als die Nachbarskinder mir sagten, dass meine Wohnungstür offen stehen würde. Man kommt heute ja so schnell in etwas hinein. Die Anzeige wegen Exhibitionismus bestätigte meine Vorahnung. Wobei es mich ein wenig kränkte, dass die Einstellung des Verfahrens mit Geringfügigkeit begründet wurde. Diebe brauchte ich nicht mehr zu fürchten. Den Kratzbaum verschmähend, machte sie sich über alles her, was ihre scharfen Krallen zerfetzen konnten. Ob Sofa oder Stuhlbezüge, Vorhänge oder Tapeten, besonders gern mochte sie meine ererbten kostbaren Perser. Wahrscheinlich das Urressentiment einer deutschen Hauskatze gegenüber allem Edlen und Überzüchteten. Selbst wenn es nur Orientteppiche sind.

Ihr Geschmack war erweiterungsfähig. Nur Trockenfutter, nur Lachs. Um ihr neue Genusswelten zu erschließen, machte ich es ihr vor: Auf allen vieren, hmm, schmeckt lecker. So lecker, dass ich meine Ernährung umstellte. Viel Geld habe ich allerdings nicht gespart, so teuer wie das Katzenfutter ist.

Gut, dass ich nicht mehr zur Arbeit ging, um durch ununterbrochene Anwesenheit Amourée näher zu kommen, war vielleicht ein Fehler. Dass ich nur noch miaut habe, um ihr das Gefühl gleichberechtigter Stellung zu geben, fand ich nur fair. Aber nackt durch die Wohnung zu laufen, war die Chance, sich an meinen Geruch zu gewöhnen. Katzen sind ja so empfindlich. Ach, Amourée, wenn ich hier wieder raus bin, dann werde ich mich bessern. Versprochen! Liebst du mich dann?