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The King and I- Rezension Nr. 2

01.10.2010

Saisonpremiere 2010 am Pfalztheater Kaiserslautern- Boulevard-Rezension für das WILLI- Magazin. Frank Herkommer, das Musical und Thilo Sarrazin

Mein starkes Stück: The King and I

Etcetera, etcetera, etcetera

 Wo bleibt Sarrazin? Der Mann, der aussieht, wie er heißt. Mit dem genetisch vererbten Sarazzenenblick und Asiatenschnorres. Das Genie der Währungsunion, der Wahnsinnige der Integrationsdebatte. Ceausescu redivivus des Westens, Heizung runter auf 14 Grad, Hartzvierler in den Zwangspullover. Aber im Suff kein Loch rein brennen!Der Ernährungsexperte für Bier saufende und Fast Food verschlingende Proleten. Verächter unterer Volksschichten.Rechthaber der Nation. Der Cherub vor dem deutschen Wohlstandshimmel - Moslems, nein Danke! Gebildete Germaninnen, still gelegen, das Gebär präsentiert, Beine breit!

The King and I.Das Musical am Pfalztheater. Eine Saisonpremiere, die Zeichen setzt. Wohin die Programmreise gehen soll: Kein Minderheitenprogramm, ein Angebot an das unveräußerliche Recht auf Unterhaltung. Bei 25 Premieren genügend Raum für Experimente und Abgehobenes.Besucher, die nicht für ihre Treue zum Theater abgestraft werden.

Anna Leonowens, Kulturträgerin West, trifft auf den König von Siam, Barbar Ost. Irgendwie kommt einem dieses Klischee vertraut vor. Und Thilo klatscht in die Hände. Aber nur, weil Astrid Vosberg in der Rolle der Lehrerin am fernöstlichen Hofe so hinreißend singt und spielt, weil Randy Diamond den König so köstlich überzeichnet. Regisseur Dale Albright hält sich an die Lautrer Vorgabe: Verliebt ins Detail. Eben Reitmeier- Schule. Personenführung, Kostüme und Bühnenbild, Ballett, Chor, der herrliche Kinderchor, alles ergibt ein wunderbar kurzweiliges, amüsantes, ästhetisch betörendes, intellektuell augenzwinkerndes Ganzes. Die Besetzung mit Diamond bereits eine Grundsatzentscheidung: Kein ältlicher, seriöser, in seinen absolutistischen Traditionen gefangener, zur vorsichtigen Öffnung seiner Kultur bereiter Herrscher, eher ein unbeherrschter Macho, ein ewiger Lausbub, von Inferiorotätsgefühlen geplagt um die Traditionen fürchtend, ein die Machtinteressen der angeblich überlegenen Kulturträger richtig einschätzender Chaot.Spieglein, Spieglein an der Wand. Reinschauen, Thilo! Liebenswerter Chaot. So chaotisch wie die Gefühle der schönen Witwe. Die sich wider Willen verliebt und sich erst nach der Hinrichtung der wunderschönen Tuptim, Zierde des Harems und Geliebte des Beau Lun Tha (beide überzeugend besetzt mit der anmutigen Nadine Eisenhardt und Herzensbrecher Julian David, wunderschön singen können die beiden auch noch) abwendet. Soweit sind die Amerikaner noch lange nicht, Teresa Lewis lässt von „Drüben“schön grüßen. Und der vermeintliche Barbar beherrscht die Kunst des Liebens, wenn er an gebrochenem Herzen stirbt.

Ein Rodrigo Tomillo, dessen Dirigat sämtlichen Staub aus den knapp 60 Jahre alten Noten schüttelt. Ein blendend aufgelegtes Orchester in kleiner Ausgabe, das das Tempo der Inszenierung spielerisch leicht aufnimmt. Eine Besetzung der Nebenrollen, die niemanden zur Nebensache macht, jedem die Chance gibt, sein Können zum Wohl des Publikums zu präsentieren. Ines Agnes Krautwurst, die mit der aparten, ausdrucksstarken Vamp-Stimme, zeichnet eine überraschend differenzierte First Lady am Hof, als Lady Thiang . Ihr Sohn ist Erbprinz, Chulaklongkorn. Den Adolszenten bringt Manuel Lothschütz in Perfektion auf die Bühne, wenn er den Vater bewundert, die kleinen Schwestern zu beherrschen sucht und ehrliche Fragen stellt, die sein Erwachsenwerden ankündigen. Eine glaubhafte Geschichte der Reifung. Geburtstagskind Geertje Nissen ( he, Freunde des PT, wo blieben die Blumen?) eine Bebe, die man sich als Kindermädchen für die eigenen wünscht. Günther Fingerle, der fidele Kapitän, den man sich auch bei den Simsons vorstellen kann und als Gesandter British as can be. Bernhard Schreurs brilliert als einer der vielen kleinen Tyrannen, wenn er als Premierminister die Sorte von Vollzugsgehilfe im vorauseilenden Gehorsam darstellt, die wir aus unserer jüngsten Geschichte mit zwei Diktaturen kennen.Last not least Pascal Brun, als herrlich natürlicher Sohn der Louis, der Mama Lehrerin begleitet und unterstützt.

Selten sah man den Chor so liebevoll eingekleidet wie in dieser Produktion. Und so spielfreudig. Kotau und Tableaus, alles perfekt einstudiert. Und der Gesang auch. Die Kostüme und das Bühnenbild entwarf Michael D. Zimmermann, ein Phantasiewunder und eine herrliche Quasselstrippe.

Zu den Höhepunkten gehören zum einen die Schulszenen mit den Kindern des potenten Potentaten. Einfach nur entzückend. Und dann das Ballett.Eine grandiose Synthese aus asiatischer und europäischer Hochkultur, die Stefano Gianetti mit dem Stück „Die Hütte von Onkel Thomas“ auf die Bühne zaubert. Das Publikum verzaubert. Das ist Musical pur. In Vollendung.

Selbst Thilo würde darüber all den Quatsch vergessen, mit dem er nun Millionen macht.

Ihr Kulturbeutel

Frank Herkommer