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Online: die Trauerrede für Rudi Heidl- Pirmasens

24.06.2008

Freunde haben zusammen gelegt, um Rudi Heidl eine Trauerfeier ohne Kirche zu ermöglichen. Seinem Lebensstil entsprechend. Hier online die Feier, gehalten von Frank Herkommer.

Das Eckige darf nicht in das Runde

Trauerfeier für Rudi Heidl

 

CD: Robbie Robertson

Rainer Maria Rilke

Der Tod ist groß

Wir sind die Seinen

Lachenden Munds.


Wenn wir uns mitten im Leben meinen

Wagt er es zu weinen

Mitten in uns.


Mit diesen Worten von Rainer Maria Rilke möchte ich Euch alle von Herzen begrüßen zu unserer Trauer-,  Gedenk und Abschiedsfeier für


Rudi Heidl.


Keine eigene Familie. Woher er kam, wer seine Eltern waren, Rudi sprach nicht darüber. Nur so viel ist bekannt: Die Kindheit im Heim, droben auf Maria Rosenberg. Mit so viel katholischem Gottesdienst, dass es ihm für die restlichen Jahrzehnte seines Lebens genügte.

Keine eigene Familie gegründet- und doch hatte Rudi Familie: Freunde, die ihm am Herzen lagen wie eigene Söhne. Deren Familien wie seine eigene waren. Freundinnen und Freunde, die sich zu einer außergewöhnlichen, einmaligen Aktion zusammen getan haben: Ihm ein würdevolles Begräbnis zu ermöglichen. Menschen, die lieber selbst auf etwas verzichten, als ihn jetzt im Stich zu lassen. Ihn einer Bürokratenbestattung auszuliefern. Freundschaft und Treue bis in den Tod. Heute keine hohle Phrase, sondern gelebt.


Lachenden Munds, beschreibt Rilke die Situation, als der Tod eintraf. Fröhlich und optimistisch, genau so hat sich Rudi gefühlt: Krisen waren ausgestanden, die Gesundheit so weit wieder hergestellt, dass man sich mit den Langzeitfolgen einer schweren Körperverletzung arrangieren konnte; die zeitweilig bedrohte Rente sogar erhöht und wieder ausbezahlt, neue Arbeit in unmittelbarer Aussicht.

Das Leben war wieder lebenswert .

Er war wieder mitten im Leben, da wo er sich immer am wohlsten gefühlt hat.
Vor allem:
Mitten im Leben von Euch. Für deinen Sohn, Sascha, war er der Opa, zu deinem Leben, Diana, gehörte er als de-facto- Familienmitglied von Sascha ganz selbstverständlich und selbstredend dazu. Ein wichtiger Teil deines Lebens, Ricki, war Rudi ebenso, immer väterlich um dich besorgt.

Ein Sekundentod. So plötzlich, dass er nicht einmal mehr die Augen schließen konnte. Vielleicht gerade unterwegs im Internet bei Wer- kennt- wen? Wo er sich selbst so humorvoll beschrieben und charakterisiert hat.

Aufrecht gesessen, nur der Kopf nach vorne gefallen, als wollte er ein letztes Mal uns sagen: Mich bringt keiner dazu, mich zu verrenken und klein zu machen, mich zu beugen und verbiegen zu lassen.

Der Tod, den er sich immer gewünscht hatte. Er, der lieber gegeben hat als der Beschenkte zu sein, er, der lieber versorgt hätte, als zum Versorgungs- und Pflegefall zu werden, wollte niemandem zur Last fallen und so leise gehen wie es nun der Fall war.

Sicher, nur 53 Jahre alt geworden. Weil Tote keine Zeit haben, ist das für ihn wahrlich kein Problem.

Wir aber können uns trösten mit einem Gedanken, den du, Sascha, in unserem Vorbereitungsgespräch eingebracht hast.

Gelebt hat er! Zwar kürzer, aber dafür um so intensiver!“

In diesem Geist, der loslassen kann, was wir nicht halten können, der Rudi den Frieden einräumt, den er verdient hat, der nicht weint, weil das Leben vorüber, sondern lächelt, weil es gewesen ist,

begrüße ich nun

Euch alle,

die Ihr heute Rudi die letzte Ehre erweist und mit Eurer Anwesenheit bezeugt: Sein Leben hat Spuren hinter lassen. Nicht in den Archiven und Listen der Großen, aber in Euren Herzen. Das alleine war ihm wichtig.

Als Lesung wie vereinbart ein Gedicht von Erich Fried:

Was es ist

Es ist Unsinn

sagt die Vernunft

Es ist was es ist

sagt die Liebe


Es ist Unglück

sagt die Berechnung

Es ist nichts als Schmerz

sagt die Angst

Es ist aussichtslos

sagt die Einsicht

Es ist was es ist

sagt die Liebe


Es ist lächerlich

sagt der Stolz

Es ist leichtsinnig

sagt die Vorsicht

Es ist unmöglich

sagt die Erfahrung
Es ist was es ist

sagt die Liebe.

In die Mitte unserer Trauerfeier für Rudi habe ich dieses Wort gestellt:

Es zählen nicht die Jahre in unserem Leben,

es zählt das Leben in unseren Jahren!“

Liebe Freundinnen und Freunde,

über das Leben, das mit Rudi in Euer Leben, in unser Leben kam, wollen wir heute Mittag auf dem Waldfriedhof in Pirmasens ein wenig miteinander nachdenken.

Manchmal verdichtet sich in einem Bild, in einer Szene all das, was einen Menschen ausgezeichnet hat.

Es ist tief in der Nacht, vielleicht schon gegen den frühen Morgen, nur noch das Personal und einige Stammgäste im Cartoon. Mehr als eine Szenekneipe. Mehr als to be on stage. Sehen und gesehen werden.

Rudi hat dort etwas gestiftet, wovon viele träumen,was jedoch nur ganz wenigen Wirten gelingt. Nicht nur ein unverwechselbares Ambiente. Eine eigene Handschrift. Nicht nur eine einmalige, prickelnde Aura. Nicht nur das Zusammenführen von Menschen, die sonst kaum zueinander gefunden hätten. Mit ganz unterschiedlicher Biografie, unterschiedlichen Lebensmodellen. Unterschiedlicher Orientierung.

Auch eine Anlaufstelle, für viele eine zweite Heimat, für nicht wenige fast schon die erste.


Ein Ort, wo man sich akzeptiert,
angenommen fühlte. Wo jeder der oder die sein durfte, die er, die sie war. Nicht nur Frauen und Männer, die Frauen und Männer lieben fühlten sich durch ihn ermutigt. Er war nicht nur Geburtshelfer für manches coming out.

Jeder, der sich das Recht auf Individualität, auf Ecken und Kanten leistete, jeder, der gegen den Strom zu schwimmen versuchte, nicht in der Masse aufgehen wollte, oder einfach nur sich suchte, experimentierte, mit der Möglichkeit, auch falsche Wege einzuschlagen, dann eben wieder umzukehren und was Anderes, was Neues auszuprobieren, tankte hier bei ihm Kraft dafür.

In einer Welt der Anpassung und Konformität, die alles über einen Kamm scheren will, aber keine Scherereien, da setzte er als Einzelner Gegenzeichen.

Mit jedem Problem konnte man zu Rudi gehen . Er mit dem großen Herzen. Mit dem Verständnis für alles. Vielleicht weil er so souverän war, für sich selbst und seine Schwächen Verständnis zu haben. Einer, der nicht nachtragend war. Einer, der nach einem Disput immer ein Zeichen der Versöhnung setzte: „Komm, jetzt trinken wir noch einen!“

Das Bild: Es ist früher Morgen. Rudi schaltet die Lichter aus. Stellt sich auf den Tisch und singt sein Lied Unchained Melody. Seine Art, Spiritualität zu leben. Sein weltlicher Choral. Und seine Gemeinde zu seinen Füssen. Ein Verkünder der Lebensfreude. Ein Stifter von Gemeinschaft. Einer voller Sehnsüchte und Wärme. Voller Gefühle, die sich über das Organ der Seele, die Stimmbänder Ausdruck verschafften.

Leben in den Jahren. Dazu gehört die Musik. Einen wahren Schatz von Tausenden Titeln, den er angehäuft hatte. Der DJ. Der Musikkenner. Einer, der so viel wusste, aber die Größe hatte, sich immer neu zu erkundigen. Beraten zu lassen. Sich auf andere Geschmäcker einzulassen. Offen für Neues, nicht nur das. Einer, der Menschen ernst nahm. Das Gefühl vermittelte: „Ich bin zwar älter, das heißt aber noch lange nicht, dass ich von dir nichts lernen kann. Ich trau dir was zu, trau dir also selbst etwas zu!“

Leben in den Jahren. Das hieß für ihn auch ableben. Immer offen für einen Quicky- und das erwähnt zu hören, dass bei ihm erstmals in der 250jährigen Friedhofsgeschichte von Pirmasens dieser Ausdruck in einer Trauerrede vorkommt, das hätte ihn königlich amüsiert. „Ist doch so!“ hätte er grinsend gesagt. Er ging an seine Grenzen, auch darüber hinaus, war aber nie beratungsresistent, ließ sich helfen, fand den Weg zurück, wenn er zu weit gegangen war.

Zum Leben in den Jahren gehört sein unverwechselbarer, oft trockener, intelligenter und darum auch leicht skurriler Humor. Morgens,wenn die Kneipe dicht war und nicht nur sie, mit der ganzen Korona, sieben, acht Mann, noch ins Cafe Blum, ins bestellte Cola den mitgebrachten Jacky geschüttet und laut mit Worzel gesprochen, dem fiktiven Hund, der schön brav sein soll.

Seine herrliche Selbstironie, wenn Jason von seinem Papa aufgefordert, Opa ins Telefon zu rufen, Rudi am anderen Ende der Leitung, und Jason sagt: „Omi? Wie reagiert Rudi? „Omi passt auch!“

So einer war er. Ein Leben lang sich das Recht heraus genommen, das in der amerikanischen Verfassung festgeschrieben steht. Auf pursuit of happiness- das Streben nach Glück. Und uns damit ein Vorbild gesetzt hat: Nicht zu viele Kompromisse. Nicht zu oft nach links oder rechts schielen, ob man auch ja niemanden enttäuscht. Sich das Recht auf Suchen und Finden einzuräumen. Nicht sich aufgeben, wenn man Gefahr läuft, sich verloren zu gehen. Anteilnehmen am Leben anderer ohne sich aufzudrängen. Seine Lust auszuleben, ohne andere dafür zu benutzen oder Freundschaften dafür aufs Spiel zu setzen. Immer den Respekt bewahrt.

Angreifbar und tatsächlich angegriffen, verwundbar und oft verwundet, aber anders, hätte er uns gesagt, ist das Leben nicht zu haben.

Danke, Rudi, für deinen Mut und deine Ehrlichkeit, Danke für das Leben in den Jahren. Das zählt. Das bleibt.


Sein Lied: Und wer dabei war, die Augen schließt, sieht ihn und hört ihn auf seiner Bühne- im Cartoon auf dem Tisch:

Unchained melody

Stilles Gedenken

My way“ (wir gehen nach ca. 3 Min)

Sascha trägt die Urne
Urnenbeisetzung

Freier Redner: Frank J. Herkommer

Das gesprochene Wort gilt

Pirmasens, den 30. Mai 2008