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25.4.2024 : 15:36 : +0200

Cole Porters High society am Pfalztheater

30.11.2009

Für WILLI bespricht Frank Herkommer noch einmal Cole Porters High Society- Intendant Johannes Reitmeier hat das Bedürfnis der Menschen in schweren Zeiten erkannt

Ganz Lautern träumt von der Liebe

Nur noch eines kann Ihnen helfen: Die Schweinegrippe. Oder wenigstens ein Schneesturm, der den Bus der Landfrauen unterwegs zum Reitmeierhügel in den Graben rutschen lässt. Unverhofft kommt oft. Ansonsten leider ausverkauft. Auf Monate. Intendant Johannes Reitmeier verzaubert einmal mehr ganz Kaiserslautern. Alles träumt nur noch von der Liebe, wenn sweet Astrid Vosberg als Tracy Samantha Lord und der kesse shooting star Konstanze Wagner (11!) als deren kleine Schwester Dinah im Duett den Ohrwurm über allen gemeinsame Pariser Träume schmettern. Unterhaltung pur, das ist es, was Regisseur Reitmeier mit seiner Inszenierung von Cole Ports High Society den Lautrern gönnt. Draußen geht es mies genug zu. Und genau das ist es, was die Menschen spüren und wofür sie dankbar sind. Maßstab für das Verständnis im Parkett und auf der Empore ist der Filmklassiker mit Frank Sinatra, Grace Kelly und Bing Crosby. Nicht der Zustand der oberen Zehntausend bei Lehman, der Hypo und General Motors heute. Opel ist wieder morgen früh. Alle Filmhits bringt er auf der Bühne und die schönsten Cole Porter Songs dazu. Der Meister des Arrangement in Höchstform!

Was schon in Regensburg die Kassiererinnen an der Theaterkasse zum Schwitzen brachte, übertrifft auch in Kaiserslautern alle bereits hoch gesteckten Erwartungen. Man nehme drei renommierte Musicalstars, vier vorzügliche Sänger, einen gestandenen Schauspieler und eine grandiose Neuentdeckung, dazu einen musicalbewährten Chor, lasse Randy Diamond an die Choreographie- und heraus kommt ein sprühender, hinreißender und mitreißender Musicalabend.

Der Reihe nach: Tracy Samantha Lord steht kurz vor der Hochzeit mit George Kittridge, einem Emporkömmling, der weiß: Nirgends kann ein Mittelmäßiger so viel verdienen wie in der Politik. Man heirate in eine der arrivierten Familien und das oval office ruft. Knieschoner im Visier. Dinah findet den neuen doof und liebt immer noch Schwager Dexter Haven. Onkel Willie wiederum liebt die Weiber und den Suff, eine Paraderolle für Klaus Hesse, immer wider gern gesehener Gast am Pfalztheater. Verwicklung muss sein in einer Komödie : Einquartiert in der Villa am Meer haben sich Liz Timbrie und Mike Connor, Paparazzi auf der Suche nach einer Skandalgeschichte. Und weil Papa Seth Lord ein Verhältnis mit Tina, der Samba-Queen unterhält, der Stoff, aus dem die Schäume sind, könnte daraus sogar etwas werden. Spielte nicht Onkel Willie den Ehemann von Margret. Natürlich kommt auch Tina Mara auf das Fest, Felicity Hader erotisch und südamerikanisch, Connor ist blind, wenn es um Lizzies Liebe geht, am Morgen danach fragt sich Tracy erschrocken, ob es der Morgen „danach“ ist, jeder bekommt am Ende, was er verdient hat und das Haus steht Kopf! Eine Story, die jeder kennt und dennoch meint, er erleben sie zum ersten Mal.

Die Musical-Stars: Unsere Astrid Vosberg! Made in Lautern. Zwischen Vamp und Trotzkopf, Dame und liebesbedürftigem Mädchen. Ohne jeden Snobismus, alles wirkt natürlich. Mit einer Stimme, die längst zu den großen Musicalstimmen in Deutschland gehört. Randy Diamond, Stargast, der bereits in Regensburg alle Ladies im Sturm auf seine Seite brachte. Dieses Mal besticht er zudem mit seiner Choreographie, die auf jeder großen Bühne Beifall finden würde. Und wie immer als Sänger mit Wahnsinnsstimme. Der dritte Star im Bund: Berlinimport Samuel Schürmann, jung, hochbegabt, eleganter Tänzer, brillanter Sänger, ernsthaft in der Auseinandersetzung mit seiner Rolle, kein geringerer als Frank Sinatra als Schablone für seine Connor- Interpretation. Dazu kommt mit unserer Konstanze Wagner die Entdeckung des Abends! Von Mama (Opernstar Adelheid Fink, die gerade in der Bellini-Oper Norma die Kritiker zum Jubeln bringt) und Papa (Meisterbariton Alexis Wagner) die Gene vereint zu einem großen Talent. Als habe sie schon immer auf der Bühne gestanden. Mit eigener Interpretation, und das mit zarten elf Jahren. Gib uns mehr davon! Und da steht ja noch ein Schwesterchen in Warteposition.

Nie genug bekommen kann man Geertje Nissen und von Peter Nassauer. Schön, wie die beiden Alten wieder zueinander finden und ganz und gar nicht alt „rüber“ kommen. Daniel Böhm, eine Stimme zum Schmachten, dazu sprühender Spielwitz. Karikierend, ohne zur Karikatur zu werden. Christine Merz gibt eine Liz, die nicht nur schön und klug ist, sondern auch noch ergreifend singen kann. Bei Onkel Willie wird durch Klaus Hesse klar, warum Weib, Wein und Gesang zusammen gehören: Auf alle drei versteht er sich vorzüglich.

Till Hass swingt und jazzt uns so gekonnt durch den Abend, als sei der Dirigent bei Cole Porter in die Schule gegangen.

Tolle Kostüme und ein kluges Bühnenbild (ist das bei Reitmeier eine Überraschung?) von Anke Drewes, mit einem Ausdruck: Zwei Runden Mitleid für alle ohne Ticket. Außer, die Schweinegrippe und der Wintersturm geben Ihnen eine last minute chance! Das wären dann frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr. Das wünscht Ihnen auf jeden Fall

Ihr Kulturbeutel

Frank Herkommer